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Komplexität und Chaos

Chaos often breeds life,
when order breeds habit.
Henry Brooks Adams

Was ist Chaos?

In alten Schöpfungsmythen steht Chaos für den ungeordneten Urzustand vor dem Anbeginn der Zeit und im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort als Synonym für Wirres, Ungeordnetes und Unbeherrschbares verwendet (vgl. die Animation von Chaos zur Ordnung und Umgekehrt).
  
Dem Chaos steht die geordnete, von kausalen Ursache-Wirkungs-Mechanismen deterministisch bestimmte Welt gegenüber, die im Detail erklärt und vorhergesagt werden kann.

   

Wie aber kann ein System gleichzeitig deterministisch und chaotisch sein?

Unter deterministischem Chaos versteht man die Sensitivität des Systemverhaltens für kleinste Verstörungen. Ein System, das chaotisches Verhalten zeigt, ist deshalb zwar nicht oder nur über kurze Zeiträume hinweg prognostizierbar, wird aber dennoch von einem vollständig determinierten Prozess generiert. Bei deterministischem Chaos handelt sich um hoch geordnete, hoch komplexe dynamische Muster, die sich von Zufallsprozessen klar unterscheiden. Diese Ordnung im Chaos kann durch Abbildungen der chaotischen Dynamik im Phasenraum sichtbar gemacht werden (vgl. Lorenz-System, Rössler-System, Wege ins Chaos).

 

Die Entdeckung des Chaos

Henri Poincaré entdeckte das deterministische Chaos bei der Untersuchung der Stabilität des Sonnensystems und fasste die Diskussion um Determinismus und Vorhersagbarkeit in seinem Buch Wissenschaft und Methode 1912 so zusammen:

 
"Wenn wir die Gesetze der Natur und den Anfangszustand exakt kennen würden, so könnten wir den Zustand des Universums zu jedem weiteren Zeitpunkt vorhersagen. Aber selbst wenn die Naturgesetze keine Geheimnisse mehr vor uns hätten, so könnten wir die Anfangsbedingungen doch nur genähert bestimmen. Wenn uns dies erlaubt, die folgenden Zustände mit der gleichen Näherung anzugeben, so sagen wir, dass das Verhalten vorhergesagt wurde, dass es Gesetzmäßigkeiten folgt. Aber das ist nicht immer der Fall: Es kann vorkommen, dass kleine Unterschiede in den Anfangsbedingungen große im Endergebnis zur Folge haben (...) Vorhersage wird unmöglich und wir haben ein zufälliges Phänomen."
  

Der Nutzen der Chaosforschung

Mittlerweile wurde chaotisches Verhalten in vielen Systemen, auch außerhalb der Naturwissenschaften, untersucht und nachgewiesen, so zB der Medizin, der Psychologie oder den Wirtschaftswissenschaften.

Die Untersuchung von Systemen im Hinblick auf komplexe nichtlineare Dynamiken, und damit deterministisches Chaos als ein spezifisches Phänomen dieser Klasse, ist jedoch nicht nur von rein akademischem Interesse.

In einem ersten Schritt bedeutet die Einsicht, dass die Welt nicht einfach, sondern komplex ist, dass man Interpedenzen und Unsicherheiten akzeptieren muss und sie handhaben oder sogar deren kreatives Potential nutzen kann.
 

Des Weiteren hat die Chaos- und Komplexitätsforschung eine Reihe von Instrumenten und Analysetools hervorgebracht, anhand derer man nützliche Informationen über die Dynamik eines Systems generieren kann.
Anhand von aus der Chaos- und Komplexitätsforschung stammenden Algorithmen kann man Fragen beantworten wie z.B.: "Wie komplex ist das System?", "Wie stark wirken Einflüsse von Außen auf das System?", Wie sicher sind Entscheidungen und Prognosen?" oder "Wie sinnvoll sind Interventionen?"
  

Abbildung: Systemwissenschaftliche Methodologie

Eine systemwissenschaftliche Methodologie verfolgt als gemeinsames Ziel zweier unabhängiger, aber parallel geführter Forschungszugänge die Dynamik empirischer Zeitreihen (bottom-up) und künstlich im Rahmen von Computersimulationen gewonnener Zeitreihendaten (top-down) aufeinander zu beziehen und miteinander zu vergleichen.
(Mehr dazu: Strunk, G. & Schiepek G. (2014) Therapeutisches Chaos)

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