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Sensitivitätsanalyse

Komplexe Systeme reagieren entweder gar nicht oder 
ausgesprochen sensibel - Identifikation der zentralen Druckpunkte eines Systems

Nicht alle Elemente eines Systems sind gleich bedeutsam und gleich wichtig für das Zustandekommen des Systemverhaltens. Einige Elemente erscheinen bei genaueren Hinsehen als ausgesprochen aktive, mit vielen anderen Elementen in Wechselwirkung stehende Größen, wohingegen andere Elemente sich eher passiv verhalten, also eher beeinflusst werden, als selbst beeinflussen. 

Bei der Planung von Interventionen sind diese Wechselwirkungen zu berücksichtigen und gilt es die sensiblen Druckpunkte des Systems zu identifizieren.

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Complexity-Research verfügt über Tools und Erfahrung in der Planung von Interventionsstrategien in komplexen Systemen. 

 

Strategien im Umgang mit Komplexität

Bei komplexen Systemen ist es unmöglich einzelne Bereiche getrennt zu planen oder zu entwickeln. Die verschiedensten Interaktionen zwischen den Elementen erfordern einen Planungs- und Analyseansatz, der nicht auf einer Unsumme an Detaildaten beruht, sondern das Zusammenspiel der Elemente berücksichtigt, denn einzeln perfekt geplante Elemente können im Zusammenspiel sich durchaus ungeplant und nicht mehr steuerbar verhalten. 

Man muss deshalb dazu übergehen, Strategien zu entwickeln, die das Zusammenspiel und die Selbstregulation der Systemkomponenten mit einbeziehen - dh. es muss ein Wechsel vom linearen zum vernetzten Denken erfolgen. Um komplexe Systeme zu erfassen und ihr Verhalten zu verstehen benötigt man einen Planungsansatz, der die komplexe Vernetzung des untersuchten Systems berücksichtigt. Unter Bezug auf die Arbeiten von Dörner können in diesem Zusammenhang sechs Fehler im Umgang mit komplexen Systemen benannt werden:

  • Falsche Zielbeschreibung. Statt auf die Erhöhung der Lebensfähigkeit eines Systems abzuzielen, wird versucht, Einzelprobleme zu lösen. Das System wird abgetastet, bis ein Missstand gefunden wird. Dieser wird beseitigt und man wendet sich dem nächsten Missstand zu und muss unter Umständen schon die Spätfolgen des ersten Eingriffs beseitigen. 

  • Unvernetzte Situationsanalyse. Es werden zwar große Mengen an Daten generiert, diese aber nicht in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht. Auf die Erfassung der Ordnungsprinzipien und des vernetzten ganzheitlichen Charakter des Systems wird verzichtet und somit bleibt dessen Dynamik unbekannt.

  • Irreversible Schwerpunktbildung. Man konzentriert sich einseitig auf einen Schwerpunkt und vernachlässigt dadurch andere Bereiche.

  • Unbeachtete Nebenwirkungen. Gesucht wird nach kausalen Wirkungszusammenhängen. Auswirkungen auf Variablen, die nicht im Planungsprozess aufgenommen wurden, werden vernachlässigt. In einem System hat die Veränderung einer Variable aber oft weitreichende Konsequenzen.

  • Tendenz zur Übersteuerung. Eine häufig beobachtete Vorgehensweise folgt folgendem Muster: Man geht zunächst zögernd und mit kleinen Eingriffen an die Beseitigung der Missstände heran. Wenn sich daraufhin im System nichts tut, ist die nächste Stufe ein kräftiges Eingreifen, um dann bei den ersten unerwarteten Rückwirkungen - durch Zeitverzögerung haben sich die ersten kleinen Schritte unbemerkt akkumuliert - wieder komplett zu bremsen.

  • Tendenz zu autoritärem Verhalten. Die Macht, das System verändern zu dürfen, und der Glaube, es durchschaut zu haben, führt zu einem diktatorischen Verhalten, das für komplexe Systeme völlig ungeeignet ist. Steuerung in Systemen sollte aber immer von der Einsicht des in die Autonomie des Systems getragen sein.

Vorhersage von Vorhersagbarkeit

Die Chancen, zu überprüfbaren Prognosen für ein dynamisches System zu kommen, stehen auch für chaotische Systeme gar nicht so schlecht:

  • Chaosfähig bedeutet nicht gleich Chaos. Nichtlineare dynamische Systeme sind chaosfähig, müssen sich in einer gegebenen Situation jedoch nicht unbedingt auch chaotisch verhalten. Das bedeutet aber, dass Prognosen über die Bedingungen und Umstände des Auftretens von Chaos eine weit lohnendere Fragestellung darstellen als der Versuch, die Dynamik eines chaotischen Systems im Detail vorhersagen zu wollen.

  • Der Fingerabdruck eines chaotischen Systems. Chaotische Attraktoren weisen eine innere Ordnung auf, die durch die Form des Attraktors im Phasenraum gegeben ist (vgl. Lorenz-System, Rössler-System, Wege ins Chaos). Damit unterscheiden sie sich grundlegend von stochastischen Prozessen, die jeden Phasenraum vollständig füllen, also überhaupt keine Prognosen ermöglichen. Der chaotische Attraktor eines dynamischen Systems kann daher mit Recht als "Fingerabdruck" (Schiepek & Strunk 1994) des Systems bezeichnet werden. Über die Merkmale eines Attraktors lassen sich also durchaus Prognosen formulieren.

  • Kurzfristige Prognose. Auch während chaotischer Zustände können kurzfristige Prognosen des Systemverhaltens vorgenommen werden. Dabei entscheidet das Ausmaß der Chaotizität über die Grenzen der Vorhersage. 

Insgesamt ist es jedoch wenig sinnvoll, an komplexe Prozesse die gleichen Fragen zu richten, wie sie bei trivialen Prozessen Verwendung finden. Prognosen für komplexe Systeme können sich an folgenden vier Leitlinien orientieren:

  • Prognose einer Dynamik und nicht eines Outputs. Es macht wenig Sinn, den Output eines kreiskausalen Prozesses zu prognostizieren, wenn damit ein zeitlich stabiles Endergebnis gemeint ist. Ein solches kann es in dynamischen Systemen nicht geben. Dort, wo es für klassisch-mechanistische Theorien sinnvoll erscheint, aus den Rahmenbedingungen und Gesetzmäßigkeiten eine (und eben nur eine) Folgerung zu ziehen, ist es für dynamische Systeme sinnvoll, aus den Kontrollparametern und Rahmenbedingungen, den Gesetzmäßigkeiten und den Startwerten des Systems eine Dynamik vorherzusagen. Dass diese Dynamik eben nicht beliebig ist, sondern der Verlaufsgestalt eines Attraktors folgt, ist der Ansatzpunkt für die Prognose dynamischer Systeme.

  • Prognose qualitativer Verlaufsgestalten. Bei bekannten Rahmenbedingungen und Generierungsmechanismen lassen sich für dynamische Systeme die Verlaufsgestalten der Prozessdynamik sehr wohl prognostizieren. Es wird also weniger vorausgesagt, welchen Zustand ein System im nächsten Moment zeigt, als vielmehr, welche grundsätzliche Dynamik es einnimmt, ob es sich homöostatisch, periodisch oder chaotisch verhalten wird. Für den Fall der Homöostase und der periodischen Dynamik sind dann zudem detaillierte Prognosen möglich, die denen für einfache Systeme entsprechen. Aber auch eine chaotische Systemdynamik ist nicht beliebig und zufällig. Auch sie hält sich an die Verlaufsgestalt, den Fingerabdruck des chaotischen Attraktors.

  • Prognose von Phasenübergängen. Da ein und dasselbe System verschiedene Attraktoren in sich vereinen kann, ist es ein wichtiges Ziel der Prognose dynamischer Systeme, Phasenübergänge, das heißt die Zustandswechsel in der Prozessdynamik (vgl.  Wege ins Chaos), zu prognostizieren. Hier können Aussagen über die qualitative Veränderung der Systemdynamik bei Veränderung der Kontrollparameter getroffen werden. Auch hier stehen also qualitative und makroskopische Veränderungen der Prozessgestalt und nicht so sehr konkrete Trajektorienverläufe im Vordergrund der Prognose.

  • Prognosen über die Grenzen von Prognosen. Selbst Chaos ist prognostizierbar, wenn die richtigen Fragen an das System gestellt werden. Im Zusammenhang mit chaotischen Systemen ist es z. B. interessant zu wissen, wie chaotisch ein System ist, das heißt, wie lange es dauert, bis sich ein möglicher Messfehler so stark ausgewirkt hat, dass er selbst Signalstärke erreicht. Aus der Kenntnis des Systems und der Randbedingungen lassen sich hoch chaotische von wenig chaotischen Systemdynamiken unterscheiden und auf der Grundlage von Zeitreihenanalysen überprüfen. In diesem Sinne können dann Prognosen über die Gültigkeit einfacher, auf die konkrete Dynamik bezogener Prognosen angestellt werden.

Abbildung: Veränderung der Potenziallandschaft bei einem Phasenübergang

Die Abbildung stellt in drei Schritten dar, wie sich die so genannte Potenziallandschaft bei einem Phasenübergang verändert. Die Metapher der Potenziallandschaft kennzeichnet attraktive Systemzustände als tiefe Täler und unattraktive als hohe Berge oder steile Wände. Im Attraktor (a) sind die steilen Wände und das Tal klar ausgeprägt, die Kugel, die das Systemverhalten repräsentiert, rollt nach einer Auslenkung schnell zurück in den Attraktor. Das Einzugsgebiet des Attraktors wird in der Nähe zum Bifurkationspunkt zunächst flacher (b) und geht im Bifurkationspunkt in einen Potenzialhügel (so genannter Repellor) über (c).
(Mehr dazu: Strunk, G. & Schiepek G. (2014) Therapeutisches Chaos)

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